Menschen erkennen Gesichter trotz Veränderungen

Unser Gehirn braucht nur einen Bruchteil aller Identitätsmerkmale, um ein Gesichtzu erkennen

Auf den Punkt gebracht

  • Gesichtserkennung: Menschen erkennen Gesichter auch bei großen Veränderungen wie Alter, Gewicht oder Schönheitsoperationen.
  • Forschungsansatz: Forschende haben mittels Gesichtsmorphing untersucht, wie gut Menschen bei veränderten Bedingungen Gesichter erkennen können.
  • Erkennungsgenauigkeit: Teilnehmende erkannten im Durchschnitt die Hälfte der ursprünglichen Gesichter in Mischbildern. Bei zehn kombiniertem Gesichtern sank die Erkennungsrate auf Zufallsniveau. Vertraute Gesichter von Freunden oder Familie wurden zuverlässiger erkannt. Die Ergebnisse verbesserten sich, wenn Originalbilder zur Verfügung standen.

Menschen sind bemerkenswert gut darin, Gesichter trotz Veränderungen zu erkennen. Alterung, Gewichtsveränderungen, Gesichtsbehaarung oder sogar Schönheitsoperationen hindern uns in der Regel nicht daran, Personen allein anhand ihrer Züge identifizieren. Wie gut Menschen Gesichter erkennen können, wenn wichtige Identitätsmerkmale unscharf oder reduziert sind, ist schon länger Gegenstand der Forschung, zumal eine präzise Beantwortung dieser Frage dazu beitragen könnte, Betrug mit Ausweisdokumenten zu verhindern. Bisherige Studien haben jedoch nicht genau bestimmt, ab welchem Grad der Veränderung es nicht mehr möglich ist, ein Gesicht zu identifizieren.

Forschende des Max-Planck-Instituts für biologische Kybernetik in Tübingen und der University of East Anglia in Norwich (UK) sind dieser Frage nun mithilfe von Morphing dreidimensionaler Gesichter nachgegangen. Bei diesem Verfahren werden die Merkmale zweier oder mehrerer Gesichter rechnerisch miteinander kombiniert, sodass ein einziges Bild entsteht, das wie eine Mischform der Ausgangsgesichter wirkt.

Die Grenzen der Gesichtserkennung

Den Studienteilnehmenden konnten in Bildern, die aus drei verschiedenen Gesichtern zusammengesetzt waren, im Durchschnitt etwa die Hälfte der ursprünglichen Gesichter korrekt erkennen. Mit zunehmender Anzahl kombinierter Gesichter nahm die Erkennungsgenauigkeit ab. Selbst bei Mischungen aus acht Gesichtern lagen die Identifikationsraten jedoch immer noch über dem Zufallsniveau. „Dies deutet darauf hin, dass Gesichtserkennung auch dann möglich ist, wenn man lediglich ein Achtel seiner Identitätsmerkmale zur Verfügung hat“, kommentiert Isabelle Bülthöff vom Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Hauptautorin der Studie. Jenseits dieser Schwelle stößt die Erkennung jedoch an ihre Grenzen: Bei Mischungen aus zehn Gesichtern sank die Fähigkeit der Teilnehmenden, die Gesichter korrekt zu identifizieren, auf Zufallsniveau.

Darüber hinaus stellte das Team fest, dass die Versuchspersonen ihnen bekannte Gesichter in den Morphs zuverlässiger erkannten, vor allem besonders vertraute Gesichter wie die von Familienangehörigen oder Freunden. Die Ergebnisse verbesserten sich zudem, wenn die Teilnehmenden die Originalbilder sehen konnten, anstatt sich allein auf ihre Erinnerung an die Personen zu verlassen.

Die Studie lässt jedoch offen, ob die Ergebnisse auch davon abhängen, ob besonders markante oder eher durchschnittliche Gesichter identifiziert werden sollen. Weitere Untersuchungen sind nötig, um besser zu verstehen, wie die individuellen Besonderheiten eines Gesichts seine Erkennung unter erschwerten Umständen beeinflusst.

Originalveröffentlichung

Mintao Zhao, Isabelle Bülthoff
How much face identity information is required for face recognition?
Cognition, Vol. 262, 2025
DOI

Quelle: Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik